„Let It Be“ - Was Kirchenvorstände von den Beatles lernen können

Symbolbild: Let it be
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Neben der Musik beeindrucken die Beatles mit hintergründigen Texten. Typisch britisch formulieren sie mehrdeutig und mit Augenzwinkern. Insofern ist „Let It Be“ mehr als ein einfaches „lass es sein“. In diesem Sinn möchte ich mich von den „Fab Four“ anregen lassen und fragen, wie sich Kirchenvorstände an das Thema „Lassen“ herantasten können.
Das Thema „Lassen“ hat Konjunktur und trifft die Sehnsucht vieler: Ein nur locker gefüllter Kleiderschrank, Oasenzeiten im beruflichen und privaten Alltag, einfaches Leben im stylischen Tiny House – das inspiriert – auch wenn es sich nur ein kleines bisschen realisieren lässt.

Aus der „Sehnsucht nach dem Lassen“ wurde durch die Corona-Pandemie schlagartig die „Realität des Lassens“. „Geht doch“ könnte man jetzt sagen. Aus dem Gedankenspiel „lass es geschehen“ wurde eine Realität, die uns gar nichts anderes übrig lässt, die etwas „mit uns macht“. Zum Teil sind wir dieser Situation ausgeliefert, aber wir können diese Situation auch gestalten, indem wir das Beste daraus machen.

Kirchenvorstände leiten die Geschicke der Gemeinde. 52 Aufgaben und Verantwortungsbereiche für Kirchenvorstände nennt die Kirchengemeindeordnung – und das ist längst nicht alles. Tun und Machen stehen im Vordergrund, die Engagierten in den Gemeinden tun ihr Möglichstes – oft mit Freude und manchmal bis zur Erschöpfung: Neben Bau-, Personal- und Verwaltungs- dingen nimmt man sich Zeit, eine neue Gottesdienstform für Distanzierte und ein Konzept für die Arbeit mit jungen Familien zu entwickeln. Dazu engagiert man sich im diakonischen Bereich für Bedürftige. Außerdem gehört die Homepage modernisiert, in der Seniorenarbeit steht ein Generationenwechsel bevor und der Kindergottesdienst soll neu belebt werden - und das nächste Bauprojekt erscheint auch schon am Horizont. Kirchenvorstände tun ihr Bestes. Da liegt der Seufzer „auch das noch“ nahe.

Dazu kommt, dass Kirchenvorstände in ihrem Engagement für die Gemeinde Vorbilder sein sollen und wollen: Geachtet wird, wer sich voller Elan den Herausforderungen stellt. Außerdem möchten Kirchenvorstände nicht „schuld“ sein, wenn Angebote gestrichen und Aktivitäten beendet werden. Weil das Urteil mitschwingen könnte, dass ein Angebot und die dafür Verantwortlichen „nicht mehr gut genug“ sind und ja letztlich doch alles irgendwie wichtig ist.

Genau an diesem Punkt beobachte ich ein Umdenken. Kirchenvorstände merken, dass niemandem gedient ist, das volle Programm mit hängender Zunge und letzter Kraft zu stemmen. Oft haben sie ein gutes Gespür, wo die Grenze des Machbaren für Haupt-, Neben- und Ehrenamtliche erreicht ist. Und sie haben die Sehnsucht, das, was wirklich wichtig ist, mit Muße und Sorgfalt anzugehen. Auf den diesjährigen Jahrestagungen tauschen sich die Vertrauensfrauen und Vertrauensmänner der Kirchenvorstände unter anderem über ihre Erfahrungen mit dem Thema „Lassen“ aus. Folgende Impulse haben sie formuliert: Wenn sich ein Kirchenvorstand dem Thema „Lassen“ annähern will, helfen folgende Haltungen und Einsichten:

  • Signale von Überforderung und Grenzen werden akzeptiert
  • Es darf etwas enden – auch wenn es gut war und gut ist
  • Der Abschied von einem Engagement oder einem Engagierten braucht ein Gespür für gute Kommunikation im Vorfeld, Beteiligung, Wertschätzung, Trauerarbeit und Gebet
  • Ausprobieren ist ausdrücklich erlaubt – es darf auch einmal etwas schiefgehen
  • Auch andere als die Etablierten werden rangelassen
  • Stärken, Talente und Gaben kommen zur Geltung
  • Zusammenarbeit entlastet – es gibt gute Erfahrungen in den Bereichen Kinder, Jugend, Konfirmanden, Bildung und Senioren, Kirchenmusik, Gottesdienst, Diakonie, Öffentlichkeitsarbeit und Verwaltung, die nicht nur Zeit und Kraft sparen, sondern neue Energie freisetzen
  • Raum für Neues entsteht

Mit ihren Anregungen sind die Vertrauensleute ganz nah an dem augenzwinkernden Rat der Beatles. Ihr „Let It Be“ heißt auch nicht einfach nur „lass es sein“, sondern da schwingt ein „lass gut sein“ und „lass es geschehen“ mit. Ganz im Sinn der Bitte des Gesangbuchliedes: „Segne unser Tun und lassen“ (Evangelisches Gesangbuch 163).

Trauen Sie sich, in Ihrem Kirchenvorstand über das Thema „Lassen“ nachzudenken? Dann nehmen Sie sich bewusst Zeit dafür und lassen Sie sich auf Ihrer Klausur begleiten. Das Angebot der Kirchenvorstandsfachbegleitung dazu finden Sie hier: Link

Martin Simon, Pfarrer und Referent für Gemeindeleitung und Kirchenvorstand im Amt für Gemeindedienst der ELKB